Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat mit Bestürzung auf den heutigen Entscheid des Bundesrats reagiert, Kosovo neu als „Safe Country“ zu bezeichnen. Ein massgebliches Kriterium für die Bezeichnung eines Staates als "Safe Country" ist insbesondere die Einhaltung der Menschenrechte. Gerade aber Minderheiten wie die Roma, Ashkali und „Ägypter“ leiden nach wie vor unter gravierenden Menschenrechtsverletzungen. Dies zeigt auch die Lage von über 550 intern vertriebenen Roma, welche teilweise seit 1999 in toxisch hoch verseuchten Flüchtlingslagern in Nord-Mitrovica leben. Die GfbV fordert vom Bundesrat, auf die zwangsweise Rückschaffung von Roma-Gemeinschaften in den Kosovo zu verzichten und sich für eine Evakuierung aus den verseuchten Lagern einzusetzen.

Die Lage der Roma-Gemeinschaften bleibt auch ein Jahr nach der Unabhängigkeit des Kosovo nach wie vor sehr prekär. Die Sicherheitssituation ist instabil, die meisten Roma-Gemeinschaften leben isoliert und werden in den Bereichen Erziehung, Fürsorge, Gesundheitsversorgung, Wohnung und Beschäftigung stark diskriminiert. Zudem sind Roma-Gemeinschaften überdurchschnittlich von Armut betroffen. Die Arbeitslosenrate liegt bei 98 Prozent. Eine zwangsweise Rückschaffung in den Kosovo würde die ohnehin sehr angespannte Lage dieser Minderheiten im Kosovo noch verschärfen.
Zudem ist auch die Wohnsituation weiterhin ungelöst. Erst wenige der im Krieg zerstörten Häuser der Roma sind wieder aufgebaut worden. Auch hat sich bei den bislang wenigen RückkehrerInnen gezeigt, dass sie vom kosovarischen Staat keine Unterstützung erhoffen können. Sie blieben weitgehend auf sich selbst gestellt. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass Angehörige der Roma-Gemeinschaften, welche in den Kosovo zurückgeschickt werden, diesen möglichst bald wieder in Richtung Westen verlassen werden. Dies ist keine nachhaltige Migrationspolitik.

Humanitäre und medizinische Katastrophe in verseuchten Flüchtlingslagern in Nord-Mitrovica
Besonders erschreckend ist die Situation der Roma-Gemeinschaften in den bleiverseuchten Lagern für intern Vertriebene (IDP Camps) Cesmin Llug/Česmin Lug und Osterode im Nord-Mitrovica. Diese Flüchtlingslager wurden teils schon 1999 von der UNO auf den Abraumhalden der stillgelegten Trepca-Mine errichtet und hätten nach Versprechung der UNO innerhalb von 45 Tagen geschlossen werden sollen. Trotz Warnungen der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des IKRK wurden die Lager bis heute nicht evakuiert. Im Rahmen von mehreren Fact Finding Missions der GfbV hat unter anderem der Umweltmediziner Dr. Klaus-Dietrich Runow Haar- und Blutproben von Flüchtlingen in den Lagern genommen. Das Ergebnis war alarmierend: Die Bleibelastung bei den Untersuchten lag um ein Vielfaches über dem Referenzbereich. Die Messungen waren oftmals so hoch, dass die Messinstrumente die Werte nicht mehr anzeigen konnten. Experten sind sich einig, dass derart hohe Belastungen zu einer irreversiblen Schädigung des Nerven- und Immunsystems sowie Störungen des Knochenwachstums und der Blutbildung führen. Kinder und Schwangere sind besonders stark betroffen.

Die Schweiz als eines der wichtigsten Geberländer im Kosovo muss ihren Einfluss nutzen, um rasche Hilfe durchzusetzen. Die GfbV als Kontaktstelle der internationalen Koalition „Kosovo Medical Emergency Group“ (KMEG) fordert Entscheidungsträger im In- und Ausland auf, die in den Lagern lebenden Roma-Gemeinschaften unverzüglich zu evakuieren und eine adäquate medizinische Behandlung sicher zu stellen.
Weitere Informationen über die KMEG-Kampagne zur Evakuierung der Camps für im eigenen Land Vertriebene in Nord-Mitrovica unter www.toxicwastekills.com; mehr zur Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz unter www.gfbv.ch;