Rezension und Empfehlung von Literatur glObal, Arbeitsgruppe Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika - EvB

(Pilgrims Way, 1988. Aus dem Englischen von Thomas Brückner)
A1 Verlag, München 2004
329 S., EUR 19,80, SFr. 34,80
ISBN 3-927743-72-0

Daud ist vor fünf Jahren aus Sansibar in eine englische Kleinstadt gekommen, um hier zu studieren. Doch er hat sein Studium abgebrochen und arbeitet als Operationssaalreiniger in einem Spital. Überall ist er der unkultivierte Nigger, der faule „Wog“, der Schwarze, der nur auf sexuelle Abenteuer aus ist. Daud begegnet vielfach Vorurteilen und anzüglichen Bemerkungen. Gleichzeitig vermutet er hinter allem eine Anspielung auf sein Anders-Sein. Deshalb lebt er sehr isoliert. Gelegentlich besuchen ihn Karta, ein schwarzer Freund, und Lloyd, ein weisser Engländer. Doch die beiden überhäufen sich gegenseitig mit rassistischen Beleidigungen, bis es zu Tätlichkeiten zwischen ihnen kommt. Man fragt sich, weshalb Daud nur zusieht, sich nie wehrt und sich all das gefallen lässt. Auch die Beziehung zu den Eltern in seiner Heimat ist abgebrochen. Im Kopf schreibt er ihnen zwar immer wieder Briefe, die aber nie wirklich abgeschickt werden. Er ist nirgends zu Hause, weder in Sansibar noch in England.
Daud lernt die Schwesternschülerin Catherine kennen und verliebt sich in sie – und sie sich in ihn. Sie ist die erste, die ihn ernst nimmt und nach seiner Lebensgeschichte fragt. Gleichzeitig wird Daud durch einen Brief eines Freundes an seine Vergangenheit erinnert. Eine alte Geschichte wird nun endlich erzählbar.
Abdulrazak Gurnah schreibt sehr genau, feinfühlig, ironisch und oft auch selbstironisch über das Leben eines Schwarzen im nachkolonialistischen England. Der alltägliche Rassismus wird schonungslos aufgedeckt, aber auch die Ohnmacht der Opfer, die sich in ihrem inneren und äusseren Leben immer wieder rassistischen Vorurteilen entsprechend verhalten. Das Buch endet weder mit einem Drama noch mit einem Happyend. Es bleibt Aufgabe der Lesenden sich vorzustellen, was sich alles verändern könnte, wenn Schwarze und Weisse anfangen, sich nach ihren Geschichten zu fragen und sich anders zu verhalten. Dazu kann das aufschlussreiche und spannende Buch anregen.

Michael Schwarz

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