Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) hat das Jahr 2017 zum "Internationalen Jahr des Nachhaltigen Tourismus für Entwicklung" nominiert. Das sollten wir im Zusammenhang mit dem Internationalen Ökotourismus-Jahr 2002 betrachten. Damals führte die UN-Nominierung (einseitig) zu einem Boom von Ökotourismus ohne Rücksicht auf dessen negative Wirkungen. Die Branche missbrauchte das Thema und dessen Präsenz in der Öffentlichkeit für ihre Zwecke. Das Resultat davon: Von allen Tourismusformen ist Ökotourismus am stärksten mit Etikettenschwindel verbunden. Er wurde im Namen von Umweltschutz und Entwicklung eingeführt, aber in Wirklichkeit zerstören viele Ökotourismusprojekte die Umwelt, verletzen Rechte indigener Gemeinschaften und verbrauchen in höchst unnachhaltiger Weise Ressourcen. Statt zu ökosensiblem Tourismus hat der Ökotourismus zu Besucheraufkommen in ökologisch sensiblen Gebieten geführt. Viele der Wälder und der ökologisch fragilen Gebiete wurden im Namen des Ökotourismus zugänglich gemacht, ohne Konzepte wie die Tragfähigkeit und die nachhaltige Entwicklung ernst zu nehmen.
Die UN Welttourismusorganisation (UNWTO) erklärt: "Der Entscheid, 2017 zum internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus für Entwicklung zu machen, kommt in einem besonders wichtigen Moment, da sich die internationale Gemeinschaft der neuen Agenda 2030 und der Nachhaltigkeitsziele annimmt, welche die UN Generalversammlung letzten September verabschiedet hat."
Aber in der Realität stehen die Agenda 2030 und viele der Nachhaltigkeitsziele im Gegensatz zu den Handlungen der UNWTO. Diese sagt "Gut aufgezogener und durchgeführter Tourismus" kann zu nachhaltiger Entwicklung beitragen. Aber wo ist dieser "gut aufgezogene und durchgeführte Tourismus"? Kann die UNWTO ehrlich behaupten, ihre Strategien und Aktionen zielten in diese Richtung? Wo doch viele ihrer Programme diese Ziele gerade unterminieren.
So widerspricht zum Beispiel die Kampagne "1 Milliarde Touristen", die von der UNWTO zur Wachstumsförderung der Branche ins Leben gerufen wurde, den Nachhaltigkeitsziele fundamental. Besonders dem Ziel 12 der Nachhaltigen Konsum- und Produktionsmuster. Da fragt man sich über die wahren Absichten und Handlungen der UNWTO. Tourismus ist eine der ressourcenintensiven Wirtschaftszweige, der hohe Mengen an natürlichen und anderen Ressourcen verbraucht. Hat die UNWTO berechnet, was diese Milliarde Touristen während ihrer Reise verbraucht? Hat sie sich die Mühe genommen zu bemessen, wie sich die eine Milliarde Ankünfte auf die Leben und Lebensräume der lokalen Gemeinschaften auswirkt – statt bloss immer den Tourismusbeitrag ans BIP zu nennen? Es scheint, dass es bloss bei den schönen Theorien bleibt, gut bloss fürs Greenwashing, um nicht nachhaltige Produkte zu vermarkten und das "Business as usual" weiterzuführen.
Beim Internationalen Jahr des Nachhaltigen Tourismus für Entwicklung wird der Eindruck erweckt, es gehe um Bewusstseinsbildung für nachhaltigen Tourismus und um einen Beitrag zur Veränderung. Aber unsere letzten Erfahrungen haben etwas ganz anderes gezeigt. Wir müssen die aktuellen Tourismuspraktiken neu definieren, wobei ein tiefgreifender Wandel wesentlich ist. Nachhaltigkeit im Tourismus ist die wahre Frage insbesondere angesichts der aktuellen Krisen im internationalen Tourismus. Da der Tourismus von Regierungen und internationalen Agenturen als Entwicklungsmodell wahrgenommen wird, müssen die Wirkungen und Leistungen des Tourismus – im guten wie im schlechten Sinn – für die Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele eingeschätzt werden. Das wird viele der rhetorischen Argumente seitens der Branchenvertreter blosslegen.