Seit über 50 Jahren betreibt der israelische Staat eine aggressive Besatzungspolitik. Die meisten Staaten und internationalen Organisationen erkennen diese als völkerrechtlich illegal an. Mittlerweile gibt es ungefähr 250 israelische Siedlungen in den illegal besetzen Gebieten. Dies führt zu einer systematischen Verletzung der Menschenrechte der ansässigen palästinensischen Bevölkerung: Viele haben durch Zwangsumsiedlungen und Landenteignung ihr Zuhause und den Zugang zu den umliegenden natürlichen Ressourcen verloren. Ihre Bewegungsfreiheit wurde stark eingeschränkt und ihr Recht auf Bildung, ein funktionierendes Gesundheitswesen und angemessene Arbeit kann nicht mehr gewährleistet werden.

Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf hat nun eine Liste mit Unternehmen veröffentlicht, die Geschäftsbeziehungen zu israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten pflegen. 94 der insgesamt 112 identifizierten Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Israel, die weiteren 18 sind in anderen Staaten ansässig. Jede Geschäftsaktivität in oder mit den Siedlungen trägt unweigerlich zur Aufrechterhaltung der illegalen israelischen Besatzung bei und unterstützt somit indirekt die Verletzung der Menschenrechte der palästinensischen Bevölkerung. Die UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte legen fest, dass Wirtschaftsunternehmen in der Verantwortung stehen, alle international anerkannten Menschenrechte zu respektieren. Die auf der UN-Liste identifizierten Unternehmen handeln somit in direktem Widerspruch zu ihren gesetzlichen Verpflichtungen.

Reiseziel Besatzung: Tourismus in illegalen Siedlungen blüht

Die israelische Regierung fördert den Tourismus in jüdischen Siedlungen mit gezielten Massnahmen – und verfolgt damit einen ausgeklügelten Plan. Die israelische Natur- und Parkbehörde hat sich viele touristische Sehenswürdigkeiten in den besetzten palästinensischen Gebieten angeeignet und verwaltet sie als Natur- und Kulturerbestätten in Israel. Israelische Siedlergruppen werden als Tourguides eingesetzt und betonen die über Jahrtausende zurückreichenden historischen Verbindungen des jüdischen Volkes zur jeweiligen Kulturstätte oder der ganzen Region. Viele israelische Siedlungen wurden gezielt in unmittelbarer Nähe zu archäologischen Stätten errichtet, um die Kontinuität zwischen der langen jüdischen Geschichte in der Region und dem modernen israelischen Staat aufzuzeigen. Gleichzeitig wird die Bedeutung nicht-jüdischer Geschichtsperioden systematisch heruntergespielt oder gar vollständig ignoriert. Durch die Propagierung eines ausschliesslich jüdischen Narrativs – und der damit einhergehenden Auslöschung alternativer Ansprüche – wird der palästinensischen Bevölkerung das Recht auf ihre eigene Geschichte und lokale Identität abgesprochen. Der Tourismus wird vom israelischen Staat als wichtiges politisches Mittel zur Legitimierung des exklusiven jüdischen Anspruchs auf das Land benutzt und trägt so massgeblich zur Landenteignung der palästinensischen Bevölkerung bei. Die vollständige israelische Kontrolle über alle Zugangspunkte zu den besetzen Gebieten auf dem Land-, See- und Luftweg beraubt palästinensischen Akteurinnen und Akteuren zudem der Möglichkeit, an der Tourismuswirtschaft in diesen Gebieten teilzuhaben und davon zu profitieren.

Digitale Reiseplattformen in der Pflicht

Der UN-Bericht listet mehrere touristische Buchungsplattformen auf, darunter Airbnb, TripAdvisor, Expedia und Booking.com. Diese führen auf ihren Websites eine Vielzahl an Unterkünften, Sehenswürdigkeiten oder Touren auf, die Reisende zu einem Besuch in israelische Siedlungen verleiten. Dies geschieht oft unwissentlich: Der Standort von touristische Zielen wird auf den Buchungsplattformen oft nur sehr ungenau angegeben; die Information, dass sich die jeweilige Sehenswürdigkeit in besetztem Territorium befindet wird entweder weggelassen oder fälschlicherweise als "in Israel" deklariert. Buchungsplattformen locken so eine grosse Anzahl Reisende in illegal besetzte Gebiete und unterstützen massgeblich die Wirtschaft in den Siedlungen. Dadurch fördern sie die Erhaltung und Expansion der Siedlungen und tragen indirekt zu den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen bei, von denen die palästinensische Bevölkerung betroffen ist. Die Werbung für israelische Siedlungen als touristische Destinationen führt dazu, dass eine illegale Besatzung normalisiert und legitimiert wird.

Obwohl der UN-Bericht keine rechtliche Relevanz hat, wird er von vielen Menschenrechtsorganisationen als wichtigen Schritt für mehr Rechenschaft und Verantwortlichkeit in den besetzten palästinensischen Gebieten willkommen geheissen. Die öffentliche Bekanntmachung der dort tätigen Unternehmen erhöht den Druck auf diese, die Menschenrechte der palästinensischen Bevölkerung zu respektieren und das Recht der Kundinnen und Kunden auf korrekte Informationen zu achten.